Die einfachste Form der Ironie besteht darin, das Gegenteil dessen
auszudrücken, was man normalerweise mit Geltungsanspruch vermeint wird.
Derjenige, der einen Geltungsanspruch erhebt, geht davon aus, dass das Gesagte
stimmt und durch andere bewährt werden kann. Versteht der andere das Gesagte
dagegen als Ironie, macht er sich sozusagen zum Komplizen dessen, der etwas
ironisch zum Ausdruck bringt.
Wenn alles ironisiert wird, besteht die Gefahr, dass überhaupt keine
Realität mehr ernst genommen wird. Versteht man eine Äußerung nicht als
ironisch, setzt man sich dem Verdacht aus, nicht klug genug zu sein, um den
Widerspruch zwischen dem Ausdruck der Ironie und einem Geltungsanspruch zu
erkennen. Ironie ist nur aus dem
Kontext heraus
verständlich. Wer damit rechnet, dass seine Ironie nicht verstanden werden
könnte, wird das, was er sagt, durch einen besonderen Gesichtsausdruck oder
Gesten begleiten, damit der andere die Ironie erkennt.
Derjenige, der die Ironie versteht, vertraut dem Ironiker in der Regel.
Sie kommunizieren gewissermaßen in einer „Geheimsprache“, obwohl die Ironie
nicht eindeutig ist und keine Erklärung und Begründung bereithält.
10.1. Ausdrucksmittel der Ironie durch Kunst
Die Ironie kann mit dem ästhetischen Urteil eines Kunstwerks verglichen
werden. Durch Ironie zeigt sich die Welt fiktiv erneuert. Es relativiert sich
das rationale Faktische der realen Welt. Aus der Distanz heraus erlaubt
die Ironie eine reflexive Rückwendung auf sich und kann so philosophisch zur
Lebenskunst beitragen. Friedrich Schlegel verfolgt die „Vereinigung von
Lebenskunst und wissenschaftlichem Geist“ und betrachtet die Ironie als die
„eigentliche Heimat“ der Philosophie. Ironie führt das Unhaltbare sprachlich
vor, zerrt das Ungenügen ans Licht und macht Über- oder Untertreibungen durch
„symbolische Fortsetzung“, bspw. durch mimische und gestische Ausdrucksmittel,
sichtbar.
In der
Selbstironie spiegelt sich eine
kritische, spielerische Haltung gegenüber dem eigenen Standpunkt wider. Der
Mensch ist hier nach Kierkegaard „verzweifelt“, weil er mit sich selbst nicht im
Reinen ist. Er bedient sich der Ironie als Mittel. Indem er sich zu sich selbst
ironisch, also distanziert verhält, gewinnt er einen höheren Standpunkt, von dem
aus er seine Verzweiflung erkennt und nun versuchen kann, sie zu überwinden.
Ähnlich wie im ästhetischen Prinzip sind in der Ironie unendlich viele
verschiedene Standpunkte möglich. Wechselnde Standpunkte bedeuten sich
verändernde Perspektiven. Durch die Änderung des vermeintlich einzigen
Standpunktes, den jemand mit Geltungsanspruch als die einzige Realität
behauptet, wird er sich bewusst, dass die Realität in Wahrheit noch eine andere
sein kann. Wie beim ästhetischen Prinzip entzieht sich das Selbst ihrem Zwang
und räumt sich die Weite eines Spielraums und damit Freiheit ein. Der Ironiker
verzichtet auf die definitorische Fixierung der Gegenstände und spielt mit ihrer
sich dem Begriff entziehenden Mehrdeutigkeit.
Alternative Anzeigen sind stattdessen die Lautmelodie (Prosodie), eine
begleitende Geste oder Mimik, die eine Doppeldeutigkeit hervorrufen, die in der
Schriftsprache wieder verschwindet. Die Wirkung der Ironie benötigt weder eine
Begründung noch eine Erklärung der Bedeutung. Das Selbst möchte sich in der
ästhetischen Einstellung der grundsätzlichen Vieldeutigkeit eines Sachverhaltes
bewusst sein, sodass es sich in der vereinzelten Einmaligkeit des Ironikers und
des Hörenden niemals erschöpft.
Ausdrucksmittel der Ironie durch Kunst (ironisch ausdrücken ein Problem
zur Befreiung, Über-/Untertreibungen durch mimische und gestische
Ausdrucksmittel, eigene Haltung kritisch, spielerisch bzw. ironisch einnehmen,
spielt mit der Mehrdeutigkeit) wird bewertet, kommentiert und optiert, um
die Lebensführung durch die Ironie „schön“ zu gestalten.
Eine alternative Position und das widersprüchliche Urteil werden nur
zum Schein übernommen, um die eigentliche Position zu überzeichnen.
Die Untertreibungen der Sokratischen Ironie verdecken die
„Überlegenheit im Schein der Unterlegenheit“, wie K. Reinhardt schreibt.
Sokrates verbirgt die eigene Meinung durch die Kunst des Fragens und bereitet im
Dialog mit seinen Schülern argumentativ den gemeinsamen Konsens vor.
Durch das ästhetische Prinzip der Mehrdeutigkeit kann Ironie als
alternatives Urteil und Verhalten zum Ausdruck kommen. Nur so können auch
Brüche, Unsicherheiten und Inkonsistenzen zusammen- und ausgehalten bzw. eigene
Widersprüche, Lügen, Schwächen und Eitelkeiten ironisch aufgewiesen werden.
Die geläufige Form ist die rhetorische Ironie, die spielerisch mit
Worten zum Ausdruck kommt. Man kann durch die feine Anspielung eine dünkelhafte
Süffisance erreichen. Im Gegensatz dazu steht die Grobheit und
Direktheit
des Sarkasmus.
In Form der anthropologischen Ironie wird die Ironie der Existenz inne,
dass eine Unterscheidung zwischen ihrem Anspruch und ihrer Wirklichkeit besteht.
Die Ironie bietet die letzte Hoffnung zu einer Überbrückung der Kluft.
In der metaphysischen Ironie begnügt sich der Ironiker mit der
Feststellung, dass alles, was ist, auch anders sein könnte. Dadurch wird
bedeutet, dass eine Erkenntnis nicht die letzte Wahrheit darstellt, weil Welt
als ein offenes System erscheint.
Dies mündet in die gnoseologische Ironie,
wonach das Wissen überhaupt ungewiss ist. Ein Ironiker wie Sokrates weiß, dass
er nichts weiß, dass er keine letzte Gewissheit hat.
Die Gefahr der Ironie besteht darin, dass alles ironisiert, also keine
Realität mehr ernst genommen wird. Kierkegaard spricht vom „Untergang der
Wirklichkeit“, weil „die Ironie das unendliche leichte Spiel mit dem Nichts“
handhabt. Eine Rede kann kaum seriös geführt, eine Haltung kaum ohne Halt
eingenommen werden, wenn nichts bejaht wird, sondern alles sich auflöst. Eine
derart wahllos geübte Ironie, die sich ungezielt und immer gegen alles und jeden
wendet, ist eine Wirkung, die von den anderen irgendwann ignoriert wird.
Modi der Ironie durch Kunst (Bekräftigung der eigenen Position durch
Ironie, Untertreibung der Sokratischen Ironie, um Überlegenheit zu verberge,
Sarkasmus, Gefahr der Ironie, dass überhaupt keine Realität mehr ernst genommen
wird) wird bewertet, kommentiert und optiert, um die Lebensführung durch
die Ironie „schön“ zu gestalten.